1907 – 1909 Fritz Barth

Bericht über das religiöse, sittliche und kirchliche Leben der bernischen Landeskirche in den Jahren 1906 – 1909. Im Namen des evangelisch-reformierten Synodalrates erstattet durch D. Fritz Barth, Professor der Theologie in Bern, 93 Seiten.

Der neunte Vierjahresbericht ist gleichzeitig auch der letzte in der Reihe. Auf Grund einer Motion fasste die Synode 1911 den Beschluss, die Berichtsperiode von vier auf zehn Jahre zu verlängern. Auch in seinem Aufbau weist der Bericht eine Besonderheit auf. Er beruht zwar nach wie vor auf Fragen des Synodalrates, diesmal wiederum nur an die Pfarrämter und nicht mehr zusätzlich auch an die Pfarrvereine gerichtet, es sind auch nicht mehr 62 sondern nur mehr 50 Fragen, der Berichterstatter ordnet nun aber die Antworten thematisch drei Fragekreisen zu: Was ist vorhanden? Was fehlt uns? Was sollen wir tun?

Was ist vorhanden? Hier ist von der Volksfrömmigkeit die Rede. Die Erfahrungen und Tätigkeiten in den Pfarrämtern kommen zur Sprache. Es erfolgt der übliche Bericht über die zahlreichen als Nebengemeinschaften bezeichneten religiösen Gruppierungen, Freikirchen und Sekten.

Was den Glauben der Bevölkerung anbelangt, so bestehe ein gemeinsamer religiöser Grundzug in der Gottesfurcht, die Frömmigkeit aber gebe ein Bild einer fast verwirrenden Mannigfaltigkeit ab. Die Pfarrerschaft erlebe die Gemeinde mehr und mehr als kritisches Gegenüber, ohne dass allerdings die Rolle des Pfarrers in Kirche und Gesellschaft in Frage gestellt würde. Dass sich das Sektenwesen abermals vermehrt hat und weiter ausbreitet, wird einerseits auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit zurückgeführt, andererseits auch auf den zunehmenden religiösen Individualismus.

Im zweiten Abschnitt: Was fehlt uns? wird aufmerksam gemacht auf nach wie vor ungelöste Probleme, als da sind der Aberglaube; die geringe Kenntnis der Bibel bei der Bevölkerung, namentlich der Jugend; der sinkende Stellenwert des Religionsunterrichts in der Schule; die Missachtung der Sonntagsruhe durch Vereinsanlässe, Feuerwehr und Militär; die Macht des Materialismus im wirtschaftlichen und persönlichen Leben, und schliesslich nach wie vor das soziale Problem des Alkoholismus mit all seinen Auswirkungen.

Begreiflich, dass nach dem langen Kapitel, wo mancher Schaden im persönlichen und öffentlichen Leben aufgedeckt worden ist, dem dritten Kapitel mit grossen Erwartungen entgegengeblickt wird: Was sollen wir tun? Der Berichterstatter ruft als erstes angesichts der Zersplitterung des Protestantismus zur Einigkeit auf. Sodann gibt er Hinweise zur Gestaltung des Gemeindelebens. Er hebt die Bedeutung der Verkündigung hervor sowohl nach aussen hin als Predigt des Evangeliums wie auch nach innen als Unterweisung der Kinder. Er ermuntert dazu, nebst den alten auch neue Wege der Verkündigung zu suchen. Die Pfarrerschaft wird angehalten zur Seelsorge. Die Liebestätigkeit solle nicht als Last empfunden, sondern gerne geübt werden. Gesellschaftlich im Vordergrund steht das Einstehen der Kirche in der sozialen Frage, und schlussendlich sollte das Gemeinschaftsgefühl der Kirche nicht an den eigenen Grenzen stehen bleiben, sondern die ganze Menschheit mit einbeziehen.

Dem Bericht sind wie üblich im Anhang die Liste der Mitglieder der Synode beigefügt, des Synodalrates und der Prüfungskommission sowie die Zahlen der kirchlichen Statistik.

Der Autor des Berichtes, Dr. Fritz Barth – übrigens der Vater des nachmalig berühmt gewordenen Karl Barth, war Professor in Bern, Synodeabgeordneter und Mitglied des Synodalrates.