1951 – 1960 Fritz Leuenberger

Die sieben Leuchter

Jahrzehntbericht über die Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons Bern 1951 – 1960. Im Auftrag des Synodalrates verfasst von Fritz Leuenberger alt Pfarrer in Bern, 272 Seiten.

Begannen die bisherigen Jahrzehntberichte mit einer Darstellung sei’s der dramatischen Weltlage oder sei’s mit den besonderen Problemen des gesellschaftlichen Lebens hier zu Lande und wiesen damit der Kirche das Wirkungsfeld ihrer Verkündigung, Seelsorge und Liebestätigkeit zu, so geht der fünfte unter den Berichten den umgekehrten Weg. Er handelt zuerst einmal von der Kirche selbst, beginnend mit deren Organisation. Diese ist uns bis auf den heutigen Tag vertraut, denn  sie beruht auf der nach wie vor gültigen Kirchenverfassung von 1946. Der Berichterstatter wählt dabei bewusst den gesamtkirchlich-synodalen und nicht den von der Gemeinde ausgehenden kongregationalistischen Ansatz. Er beginnt damit, die Kirche als Landeskirche vorzustellen, deren Bezirke und Behörden, Synode und Synodalrat, die Einbindung derselben in die Mitgliedschaft im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, in die ökumenischen Verpflichtungen und in die gemeinsame gesamtschweizerische kirchliche Trägerschaft des HEKS. Dieses grössere Ganze will die Kirche sein, als deren lebendige Zellen die einzelnen Kirchgemeinden ihre Tätigkeit entfalten sollen. In der Abfolge von zehn kurzgefassten Kapiteln kommen diese zur Geltung.

Den Anfang machen die das Leben der Kirchgemeinden leitenden und prägenden Ämter, Behörden und Personen: Kirchgemeinderat, Sigristen und Organisten, die Pfarrer und was alles mit dem Pfarramt zu tun hat: Ausbildung, Pfarrvereine, theologische Richtungen und Pfarrer mit speziellen Aufträgen. Es folgen die Pfarrhelferin, die Pfarrfrau, die Gemeindehelferin, der Diakon, die Gemeindeschwester und weitere kirchliche Angestellte. Erst von jetzt an, wo die Strukturen, Behörden und Dienste bezeichnet sind, kann vom eigentlich kirchlichen Leben die Rede sein. Es bedarf hier keiner wiederholenden Zusammenfassung. Gottesdienst, Sakramente, Jugendunterricht, Kasualien und Seelsorge sind die bleibenden Tätigkeiten der kirchlichern Verkündigung. Es ist die anbrechende Neuzeit, die bisher noch kaum bekannte neue Elemente auftauchen lässt. Zum Thema Gottesdienste sind es die Radiopredigt und Fernsehübertragungen. Im Bereich der Seelsorge nimmt die Spezialseelsorge und nehmen die gesamtkirchlichen und regionalen Angebote der Eheberatung zu.  Als Elemente eigenständigen Charakters des kirchlichen Lebens wollen sich die zahlreichen kirchlichen Gruppen verstanden wissen. Arbeitskreise, Mütter- und Frauengruppen, Männerabende, Jugendgruppen, Veranstaltungen für Alte und Einsame sind der lebendige Ausdruck einer diakonischen Kirche. Sie laufen in der Berichterstattung der Thematik der Gemeinschaften, Freikirchen und Sekten förmlich den Rang ab. Gleiches gilt von gesamtkirchlichen, genossenschaftlich oder vereinsmässig organisierten und damit auch über die Grenzen der Kirche hinauswirkenden Institutionen wie den Heimstätten, des Schweizerischen Protestantischen Volksbundes, nach wie vor des Protestantisch-kirchlichen Hilfsvereins, der Missionsgesellschaften sowie weiterer, eher frei organisierter kirchlicher Arbeit. Hier werden neue Arbeitsfelder erforscht, gemeindeübergreifende Gemeinschaft entsteht, Herausforderungen werfen erkannt und aufgenommen. Der Berichterstatter fasst sie alle zusammen unter dem Titel: Die Kirche an der Front.

Als solche nach innen und nach aussen auf vielerlei Weise engagierte Kirche stellt sie der Bericht nun hinein ins gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben. Er beschreibt den Bauernstand, die Arbeiterschaft, den Mittelstand, die Jugend, die Stellung der Frau, das Phänomen der Fünftagewoche und die zunehmende Motorisierung des gesamten Lebens, und was dies alles für die Kirche bedeutet. In diesem gesellschaftlichen Umfeld sucht die Kirche das richtige Verhältnis zu finden zu den Vereinen und den politischen Parteien wie auch die Zusammenarbeit von Kirchgemeinde und Einwohnergemeinde, von Kirche und Staat. Weltweit betrachtet teilt die Kirche die Sorge der damaligen Welt, dass sie zwar keinen Krieg, aber auch noch keinen Frieden hat. Auch die Kirche lebt im Gefühl der Ausweglosigkeit und der Ohnmacht, und ist sich doch bewusst, dass es der Anstrengung aller bedarf, gemeinsam um den Frieden zu ringen. Im grossen Horizont des Weltgeschehens ist die bernische Landeskirche zwar nur ein bescheidener Leuchter im Vergleich zu anderen Kirchen, die grösser und reicher sind als sie. Aber auch ein kleiner hölzerner Leuchter, schliesst der Berichterstatter seine Betrachtungen und Mitteilungen, dient Christus recht, wenn nur sein Licht auf ihm brennt. Dass Gott uns dieses Licht erhalte, und wir keine falschen Lichter aufstecken, muss unserer Kirche ständige Bitte und unser grösstes Anliegen sein.

Der Anhang beschränkt sich auf den Bericht der Prüfungskommission und die Aufnahmen in den Bernischen Kirchendienst.