Menschen am Rande der Gesellschaft begleiten

Die Kirchliche Anlaufstelle Zwangsmassnahmen Kanton Bern (KAZ) ermöglicht es seit 1998  Ausländerinnen und Ausländer, die in Ausschaffungshaft genommen werden, unentgeltlich mit einem Anwalt Kontakt aufzunehmen. Seit 2003 besteht ein Besuchsdienst für Frauen in Ausschaffungshaft. Die KAZ setzt sich für einen gesetzeskonformen Vollzug der Zwangsmassnahmen ein. Als unabhängige Beratungsstelle hilft die KAZ diesen "unsichtbaren" Menschen und dient der Institution Gefängnis. Die Anfragen und auch die vielfältigen Probleme nahmen über die Jahre stark zu.

Im Jahr der Sans-Papiers-Bewegung 2001, wurden Kirchen in der Stadt Bern besetzt. Nachdem die parlamentarische Beratung Ende Jahr keine wirklichen Lösungen aufzeigte, suchte eine ökumenische Arbeitsgruppe nach neuen Wegen. Die Interkonfessionelle Konferenz der Landeskirchen und der jüdischen Gemeinden setzte einen Beirat ein, der 2004 eine Erklärung und Handlungsvorschläge "Humanisierung des Alltags, Grundrechte der Sans-Papiers respektieren!" herausgab. Als wichtigste Folgerung wurde 2005 die Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers durch Kirchen, Hilfswerke und Gewerkschaften gegründet. Diese Stelle erwarb sich viel Spezialwissen und steht den Ratsuchenden und Kirchgemeinden in diesem gesellschaftlich und rechtlich heiklen Thema zur Seite.

2008 wurde der Sozialhilfestopp für abgewiesene Asylsuchende eingeführt. Sie gehören nun auch zu den Menschen mit rechtswidrigem Aufenthalt und erhalten nur noch Nothilfe in den sogenannten Sachabgabezentren. Die Kirchen setzten sich dezidiert für eine menschenwürdige Umsetzung des Grundrechts auf Hilfe in Notlagen ein, das ins Zentrum der politischen Diskussion geriet. Das kirchliche Unterstützungsnetz für abgewiesene Asylsuchende informierte die Kirchgemeinden über die Neuerung, gründete in Biel den Zvieri-Treffpunkt mit Beratung für diese Menschen und befasste sich mit den vielfältigen neuen Problemstellungen.

Die Verschärfungen im Asylbereich und Diskussionen in Kirchgemeinden führten  in Solothurn 2006 zur Gründung der "Table Ronde", einer offenen Gruppierung, die Menschen mit offenem oder ohne Aufenthaltsstatus durch Information der Öffentlichkeit und Aktionen sowie dem Räschtetopf beistand. 2009 entstand daraus die Diakonische Kommission "Ökumenische Nothilfe" der Landeskirchen im Kanton Solothurn. Sie nimmt sich der Probleme von Menschen am Rande unserer Gesellschaft an, trägt die kirchliche Passantenhilfe in Solothurn, unterstützt Nothilfeprojekte  und führt den Erfahrungsaustausch mit verwandten Organisationen.

Die Professionalisierung im Asylbereich, die Entlastung der politischen Gemeinden und Übernahme der Verantwortung für die Asylfürsorge durch den Kanton Bern führten 2006 zu einem neuen Konzept der Kirchlichen Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen (KKF). Deren ursprüngliche Hauptaufgabe, Beratung von Freiwilligen und Kirchgemeinden in Asylfragen, ist kaum noch gefragt. Ihre Fachinformationen, Kurse und Öffentlichkeitsarbeit sind jedoch für viele Akteure nützlich. Zudem unterstützt sie die selbständige Rückkehr von abgewiesenen Asylsuchenden. Nach wie vor grosse Bedeutung haben die Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not und die Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende Solothurn. Für beide mussten neue Trägerschaften gefunden werden. Die Berner Rechtsberatungsstelle weitete ihren Tätigkeitsbereich auf das Sozialhilferecht und das Sozialversicherungsrecht aus.

Annemarie Saxer

Beirat Sans-Papier
Beirat Sans-Papier
Mittagstisch St. Marien
Mittagstisch St. Marien
Kein Mensch ist illegal
Kein Mensch ist illegal

Bildvergleiche

Bild links: Giovanni Bellini, Polyptychon hl. Vincenz Ferrer?(aus: F. Falk, Eine gestische Geschichte der ?Grenze, München 2011).

Bild rechts: Flüchtling auf Lampedusa; Franco Lannino EPA/Keystone (aus: F. Falk, Eine gestische Geschichte der Grenze, München 2011).

Bild links: Eugene Delacroix, Christus auf dem See Genezareth, 1853.

Bild rechts: Bootsflüchtlinge; Franco Lannino (feis-ciuk.no-ip.org).

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