Praxisbeispiel Altersarbeit

Seniorenarbeit in der Kirchgemeinde Heiliggeist

Im Gespräch mit Maja Agyemang, sozialdiakonische Mitarbeiterin mit Schwerpunkt Erwachsenen- und Altersarbeit.

Wie hat sich die Seniorenarbeit in der Kirchgemeinde Heiliggeist in den letzten zehn Jahren entwickelt?

Die klassischen kirchlichen "Altersnachmittage" wurde schon sehr früh von  moderner "Seniorenarbeit" abgelöst. Seit 10 Jahren bieten wir in Zusammenarbeit mit der katholischen und anderen reformierten Kirchgemeinden den "Seniorensommer"  an: 14 Tage mit einem bunten Angebot in der Stadt Bern: Bewegen, Besichtigungen, Neues erleben, bei feinem Essen austauschen und geniessen. Oder im "Bürenpark für Jung und Alt" leiten Seniorinnen und Senioren Workshops Kinder wie z.B. das Töpferatelier, sie geben ihr Wissen weiter und stehen mitten in der turbulenten Kinderwelt. Die "Kulturwoche" der Innerstadtkirchen spricht ein breites Publikum an: kulturinteressierte Erwachsene unterschiedlichen Alters, auch kirchenferne. Weitere Höhepunkte bilden die Seniorenferien und der jährliche Ausflug.
Für einen guten Zusammenhalt unter den Seniorinnen und Senioren während des Jahres sorgen ein monatlich durchgeführter Mittagstisch, das regelmässige Zmorge und der Runde Tisch. An diesen Anlässen engagieren sich Seniorinnen und Senioren aktiv, ebenso in der Cafeteria im Bürenpark: Sie kochen, organisieren und sorgen für ein gastfreundliches Ambiente.

Weniger sichtbar, jedoch ebenso wichtig sind die seelsorgerische Arbeit, die Begleitung von Trauerfamilien und Hinterbliebenen, die Sozialberatung und Besuche bei  Personen, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen können. Gesprächskreise zu philosophischen oder theologischen Fragen helfen über Sinnfragen in diesem Lebensabschnitt zu sprechen und individuelle Wege zu finden.

Was ist das Erfolgsrezept für diese lebendige Seniorenarbeit?

Sie setzt auf drei Eckpunkte. Vernetzung: Nur zusammen mit anderen Kirchgemeinden oder staatlichen Institutionen können so attraktive Angebote wie den Seniorensommer  realisiert werden. So kann ein grösseres Publikum erreicht und mit einem vielfältigen Programm besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingegangen werden. Projekte: Diese Angebotspalette kann nur zeitlich begrenzt auf einige Wochen im Jahr ausgerichtet werden. Dafür jedes Jahr neu, jeweils mit sorgfältig bedachten Änderungen oder mit mutigen "Versuchsballonen". Partizipation: Gerade die jüngeren Senioren/innen haben Freude, besondere Aufgaben zu übernehmen und ihre Kompetenzen einzubringen, sei es als kochendes Ehepaar am Mittagstisch, als handwerklich begabter Atelierleiter in der Bürenparkwoche oder als aufmerksame Gastgeberin in der Cafeteria.

Vor welchen neuen Herausforderungen steht die kirchliche Seniorenarbeit?

Die Zielgruppe "Senioren/innen" ist sehr vielfältig geworden. Damit sind auch die Ansprüche an die Seniorenarbeit sehr unterschiedlich geworden: Manche möchten sich irgendwo engagieren, andere brauchen Präsenz und Unterstützung.

Das Grundbedürfnis nach zwischenmenschlichen Beziehungen und Sinnfragen in diesem Lebensabschnitt sind dieselben geblieben. Neu kommt eine Generation "ins Alter", von denen viele keine traditionelle Bindung an die Kirchgemeinde haben. Die selbstverständliche Nähe zur Kirchgemeinde und die Verbindlichkeit nehmen schon heute deutlich ab.  Auch führen das lange selbständige Leben in der eigenen Wohnung und teilweise dünne familiäre Netze zu neuen Formen der Vereinsamung im hohen Alter. Überdies hat sich der gesellschaftliche Stellenwert von Alter gewandelt. Es stellt sich die Frage: "Wie können wir "Altersarbeit" machen in einer Gesellschaft, in der niemand alt sein darf?" 

 Regula Zähner