Aberglaube

Die Städte haben [in Sachen Aberglauben] keinen Vorrang vor dem Land. 1878

Die leidigste, sittlich empörendste Partie des Aberglaubens, wodurch entsetzlich viel Hass und Unrecht gestiftet wird, ist der Hexenglaube. 1878

Der Aberglaube ist noch sehr gross. Da guckt noch schrecklich viel altgermanisches Heidentum und katholisches Mittelalter hervor. 1882

Ein uralter Feind des religiösen Lebens ist der Aberglaube. Solchen Aberglaubens ist nun überall in unserem Volke übergenug vorhanden und zwar so ziemlich in allen Schichten der Bevölkerung. 1886

Der Aberglaube steht neben dem Glauben wie die Wirtshäuser neben den Kirchen. 1886

Es ist leider nur geringe Aussicht vorhanden, dass der Aberglaube bald verschwinden werde. 1886

Abergläubische Vorstellungen und Gebräuche beherrschen die Gemüter immer noch ziemlich allgemein:

  • Gespensterfurcht
  • Auf Zeichen achten
  • Zaubersprüche bei gewissen Krankheiten
  • Die Kapuziner in Solothurn und Freiburg bekommen viele Klienten aus hiesiger Gegend, die Wahrsager und "Wunderdoktorfroueli" noch mehr
  • Die Leute zeigen dem Bienenschwarm feierlich und offiziell den Tod des Hausherrn an
  • Andere sehen am Ostermorgen die Sonne hüpfen. 1894

Immer noch spielt trotz aller Aufklärungsarbeit in Schule und Kirche der alte Aberglaube seine Rolle. 1906

Manches freilich, was dem Unerfahrenen wie Aberglaube erscheinen kann, beruht lediglich auf alten Beobachtungen in Bezug auf Wetter und Klima, die sich zu einer Überlieferung verfestigt haben. Anderes ist volkstümlicher Ausdruck für eine tiefreligiöse Empfindung. 1909

In der Regel zeigt der Aberglaube, auch wo er sich christlich zu schmücken versucht, deutlich seine Herkunft aus der Fruchtbarkeitsreligion des Heidentums, die in allem Ungewöhnlichen böse Mächte wittert und sich angstvoll gegen dieselben zur Wehr setzt.

  • Man fürchtet sich vor Gespenstern, die auf dem Friedhof oder in der Pfundscheuer spuken
  • Wer einen Grenzstein versetzt oder Holz gefrevelt hat, der findet im Grab keine Ruhe, sondern muss umgehen
  • Man fürchtet sich vor dem bösen Blick, vor Hexen, welche das Vieh und die Bäume unfruchtbar machen, die Schlafenden durch Alpdrücken quälen können
  • Man fürchtet sich vor schlimmen Vorbedeutungen (Klopfen an der Wand, ein Maulwurf im Garten, eine schwarze Katze am Morgen), vor Unglückstagen wie dem Mittwoch, vor schlimmen Träumen, die man aus dem Traumbüchlein deutet, vor ungünstigem Vögelgezwitscher an dem Wege, den man geht
  • Krankheit und Tod bieten dem Aberglauben die reichste Ernte: für krankes Vieh im Stall, dem weder die angenagelten Zettel mit kabbalistischen Formeln, noch der "Stallsegen" des freundlichen Nachbars heben helfen können, wird der "Brümmeler" geholt, der mit den "drei höchsten Namen" umzugehen, das rinnende Blut durch Zauberformeln und Gebärden zu "stellen" weiss
  • Für einen Bruch erwartet man Heilung, wenn man das kranke Kind am Karfreitag unter Aussprechen der drei Namen durch eine gespaltene Eiche durchzieht
  • Mit alten animistischen Vorstellungen hängt es zusammen, dass der Tote ja nicht mit dem Kopfe voran aus dem Hause getragen werden darf, und dass das Tuch, mit dem die Leiche beim Waschen abgetrocknet worden ist, nachher um einen Apfelbaum gebunden wird
  • Bäume, die man am Allerseelentag tüchtig schüttelt, tragen das nächste Jahr viel Obst
  • Tannäste, die man an Allerseelen schneidet, geben gute Besen
  • Etwas "Eingelegtes", das man in einer Flasche unter der Schwelle vergräbt, hält die bösen Geister vom Hause fern
  • Kinder werden nicht selten in Krankheitsfällen oder nach der Taufe eine Weile auf die Bibel gelegt
  • Gegen "Gichter" empfiehlt es sich, dem Kind den Anfang des Johannes-Evangeliums unter das Kopfkissen zu legen
  • Vor wichtigen Entscheidungen wird die Bibel aufgeschlagen
  • Gegen Blitzschlag und Feuersgefahr hilft der "Lufthangende Brief", der als eine Zuschrift Christi aufbewahrt und abgeschrieben werden soll
  • Etwas Nachtmahlbrot, in den Pflanzblätz gesteckt, schafft gutes Wachstum
  • Die Taufe eines Kindes bringt ihm entweder Genesung oder ein seliges Ende; jedenfalls "entscheidet sich's". 1909

Nehmt ihr den Glauben weg, wo wird in dem leeren Raum des Unglaubens sich alsbald der Aberglaube festsetzen. 1909

Wir sind geneigt, in manchem Brauch, der aus abergläubischen Vorstellungen erwachsen ist, vorwiegend die poetischen und symbolischen Züge zu würdigen. 1920

Wissenschaftliches Ansehen wird auch jetzt wieder gerne in Anspruch genommen für allerhand Humbug, der sich mit dem Talar der Wissenschaft schmücken möchte.  1930