Alkoholismus

Die Branntweinnot mit allem, was sie im Gefolge hat, ist immer noch ein Hauptfeind unserer Volkswohlfahrt und es kann leider nicht eine Abnahme weder der Branntweinnot, noch der Trunksucht im Allgemeinen konstatiert werde. Beweis genug ist die bedenkliche, masslose Vermehrung der Wirtschaften. 1878

Die Trunksucht ist das grösste Übel unseres Volkes. 1882

Bettagsproklamation des Synodalrates [1882]: "Die Trunksucht und das Wirtshausleben, namentlich der übermässige Genuss des Branntweins ist wohl gegenwärtig der grösste Feind, der uns im Innern bedroht. Wenn wir diesen Feind mit Erfolg bekämpfen könnten, so wäre das ohne Weiteres der grösste Fortschritt, der in diesem Jahrzehnt zu verzeichnen ist. Dieser Fortschritt muss aber errungen werden,  wenn nicht jede andere Errungenschaft wie ein schöner Traum zerrinnen soll." 1882

Mehr und mehr ergeben sich Frauen diesem Laster, mehr und mehr gewöhnt man Kinder daran. 1882

Die Schlempe * mit der Schnapspest und der schlechten Ernährung richten unser Volk zu Grunde. 1882 [* Schlempe = Rückstand bei der Spirituserzeugung: Duden]

Die staatlichen Behörden müssten zur Bekämpfung des Pauperismus und seiner grössten Ursache, des Alkoholismus, wirksame Dämme aufführen. 1886

Die eidgenössischen Räte haben ein sogenanntes Alkoholgesetz ausgearbeitet, welches dem Bund das Monopol der Fabrikation und des Vertriebes von Branntwein zuweist. 1886

Es gibt nicht nur Schnapser, sondern ebenso viele Wein-, Bier- und Liqueurtrinker. 1886

Es wird eine merkliche Abnahme des Branntweinkonsums konstatiert. Am meisten wirkte die Aufhebung der viel hundert kleinen Brennereien im Lande herum. Überhaupt hat die Annahme des Branntweingesetzes einen grossen moralischen Eindruck gemacht. 1890

Unterdessen nimmt die Herstellung von Most zu und der billige Wein findet Einzug. 1890

Im Emmental zeigt sich als neues Übel, vom Kanton Luzern importiert, der Gebrauch des "Schwarzen", welcher in den Urkantonen so viel Unheil angestiftet hat. 1890

Der Temperenzverein, um den sich in unserem Kanton Herr Bovet in Bern grosse Verdienste erworben hat, wir lobend erwähnt. Aber es ist zu bedauern, dass bei der ganzen Bewegung [des Temperenzvereins] von der Kirche keine Rede ist. Man arbeitet für ein Werk, welches nach und nach zur Sekte wird. 1890

Der Schnapskonsum hat infolge der eidgenössischen Alkoholgesetzgebung eher abgenommen. 1894

Eine alte Unsitte ist das Tycheln. Diese Abschiedsgelage wurden und werden vorzüglich der Billigkeit wegen in Schnaps gehalten. 1898

Abgenommen hat der Schnapsgenuss, zugenommen der Wein- und Biergenuss, besonders der erstere infolge der Einfuhr billiger spanischer Weine. Das ganze Land ist überschwemmt mit spanischen und italienischen Weinen. Dann sorgen die Zweiliter-Wirtschaften für gehörige Nachfüllung, und das Trinken ist da. 1894

Leute, die man im Winter mit Milch unterstützt, haben im Sommer für den Heuet Wein im Keller. 1898

Die Milch den Kälbern, den Erwachsenen Wein, den Kindern Kaffee! 1898

Von schlimmerer Wirkung ist das ganz verwerfliche Zweilitersystem, das den häuslichen Trunk befördert. 1902

Zu begrüssen ist die mehrfach erwähnte Abschaffung der "Gräbden" und der "Göttimass" bei Tauffesten, d.h. die Unsitte, dass die Taufpaten jeweilen der Jungmannschaft 1-2 Liter Schnaps im Wirtshause bezahlen. 1902

Die Zweiliterwirtschaften bringen den billigen und schlechten Italiener-, Spanier- und Kunstwein in die entlegendste Hütte und den hintersten Krachen. 1902

Mehr und mehr gewinnen wenigstens zwei Grundsätze der Antialkoholbewegung an Boden: 1. Für Kinder jeden Alters ist Alkohol Gift. 2. Für Trinker und solche, dies es werden könnten, ist Abstinenz das einzige Richtige. 1902

Der Alkoholismus ist nicht eine Lokal-, sondern eine Zeiterscheinung oder, besser gesagt, eine Zeitkrankheit. 1902

In bezug auf den Alkoholismus geht der frühere Schnapskonsum immer mehr zurück, dagegen entwickeln die Zweiliterwirtschaften und Bierdepots eine ziemlich lebhafte Tätigkeit. 1906

Gegen den Alkoholismus arbeiten des Blaue Kreuz, der Guttempler- und Alkoholgegnerbund. Ein durchgreifender Erfolg wird aber erst erreicht werden durch die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs auf dem Wege der Gesetzgebung. 1906

Schlimm ist das Trinken des sogenannten "Schwarzen", Kaffe, stark mit Schnaps vermischt, der unter unschuldigem Namen in den Bauernhäusern grossen Schaden anrichtet, besonders wenn er bei Kindern die Milch ersetzen soll. 1906

Die einen glauben eine Abnahme der Trunksucht zu bemerken, während andere die Flut noch steigen sehen. 1909

Während man die Milch in die Käserei schickt, erhalten die Kinder Kaffee mit Schnaps vermischt. 1909

Der Zweiliterverkauf über die Gasse macht die Bierflasche in den Häusern, in den Werkstätten und auf den Arbeitsplätzen heimisch. 1909

Kein Wunder, wenn dann blödsinnige oder doch schwer belastete Kinder geboren werden, oder wenn die Selbstverachtung wegen eines solchen Lebens den Trinker zum Selbstmord treibt. Wer trägt die Verantwortung dafür, dass das Alkoholmonopol des Bundes und die Verteilung des Alkoholzehntels an die Kantone eine Besserung herbeizuführen, noch nicht mehr Erfolg gehabt haben? Nicht der Arme, an welchem man das Trinken zumeist tadelt; er sucht im Wein und Bier seine Sorgen zu vergessen, von deren Gewicht Andere keine Ahnung haben. Nein, die Begüterten und Gebildeten, die ihm das schlimme Beispiel geben. 1909

Was soll der Handwerker und Arbeiter denken, wenn er seine künftigen Anwälte, Lehrer, Ärzte und Pfarrer in angeheitertem Zustand auf der Strasse trifft? 1909

Aber Schritt für Schritt dringt die Erkenntnis von der Gefährlichkeit des Alkohols dennoch im Volksbewusstsein durch. 1909

Ein alt böser Volksfeind ist der Alkoholismus. Der Schaden ist alt, tief eingewurzelt, allgemein verbreitet. 1920

Von ärztlicher Seite wird mit Ernst darauf hingewiesen, dass die Grosszahl der seelischen Störungen mit dem Alkoholismus irgendwie in Zusammenhang steht. 1920

Gegen den Alkoholismus setzen sich die Enthaltsamkeitsverbände zur Wehr (Blaukreuzvereine, Guttempler-Logen, sozialdemokatische Abstinenzvereine). Die Zahl derjenigen Pfarrer, die in die Reihen der aktiven Kämpfer eingetreten sind, ist ganz bedeutend gewachsen. 1920

Es war nicht überflüssig, dass der General in einem Tagesbefehl die Soldaten zur Mässigkeit im Alkoholgenuss ermahnte. 1940

Schnapsgelage, wie sie früher üblich waren, kommen nicht mehr vor. Die Fabrikarbeit wie auch die Landwirtschaft erfordern heute nüchterne Leute. 1940

Wenn auch die Trunkenheit sich weniger an der Öffentlichkeit und im Wirtshaus zeigt, so ist das Elend, das Kaffeetrinken mit Schnaps, wie es vom Entlebuch ins Emmental herübergekommen ist, doch in verhältnismässig vielen Häusern recht gross und wirkt sich als eine wahre Pest aus. 1940

Viel Verkauf alkoholischer Getränke findet über die Gasse statt. 1940

Der Alkoholismus ist nicht mehr so offenkundig, Alkoholgenuss aber zweifellos allgemeiner geworden. 1940

Ein besonderer Übelstand ist der starke Bierkonsum auf Bauplätzen. 1940

Die Bekämpfung des Alkoholismus erfährt noch nicht die gesetzliche und politische Hilfe, die für wirksame Massnahmen nötig wäre. 1940

Der moderne Alkoholismus, hinter dem gewaltige wirtschaftliche Interessen stehen, ist eine ernste Gefahr für die christliche Gemeinde. 1950

Leider ist trotz dem gesteigerten Konsum alkoholfreier Getränke die Trunksucht in unserm Volk noch sehr weit verbreitet bis in die höchsten Gesellschaftskreise und bis hinein in die Frauenwelt. 1960

Im Unterschied zu andern alkoholgegnerischen Organisationen, die sich konfessionell und religiös neutral erklären, will das Blaue Kreuz bewusst durch die Verkündigung des Evangeliums den Alkoholkranken Mut und Hoffnung einflössen, sich aus ihrer Gebundenheit lösen zu können. 1960