Die multireligiöse Gesellschaft: Initiativen und Projekte

Der Bereich OeME-Migration hat den Anstoss zur Gründung zweier wichtiger interreligiöser Foren in unserem Kirchengebiet gegeben: Die Gemeinschaft Christen und Muslime und der Runde Tisch der Religionen. In beiden Organisationen wurde und wird über die Jahre ein praxisnaher "Dialog des Lebens" gepflegt.  Durch ihre Begleitung und Mediation zwischen Religionsgemeinschaften und Behörden wurden verschiedene interreligiöse Projekte auf den Weg gebracht: Handreichungen für Schulen und Kindergärten, für Spitäler und für bi-religiöse Ehen und Familien, ein interreligiöser Raum der Stille im Inselspital und eine Abdankungshalle für die Religionen auf dem Friedhof Bümpliz. Exemplarisch und in mancherlei Hinsicht vorbildhaft war die Schaffung eines muslimischen Grabfelds auf dem Bremgartenfriedhof Bern. Dazu der Bericht des Stadtgärtners der Stadt Bern:

Albert Rieger

Das Grabfeld für Muslime im Bremgartenfriedhof Bern

Entstehung
Im Dezember 1993 beauftragte der Gemeinderat der Stadt Bern die Stadtgärtnerei auf Grund vieler Anfragen der islamischen Glaubensgemeinschaft, die rechtlichen Grundlagen für besondere Bestattungsformen anderer Religionsgemeinschaften zu prüfen. Mit der Genehmigung des angepassten Reglements wurde 1996 eine entsprechende Arbeitsgruppe gebildet. Sie sollte der Exekutive der Stadt Bern eine für alle Beteiligten geeignete Lösung präsentieren. In Zusammenarbeit mit Vertretern der islamischen Gemeinschaft und des Runden Tischs der Religionen erarbeitete die Arbeitsgruppe einen Vorschlag, der für die unterschiedlichen islamischen Glaubensrichtungen akzeptabel und mit den Vorgaben des Friedhofsreglements vereinbar war. Auf dieser Grundlage konnte der Gemeinderat im November 1999 den entsprechenden Beschluss für die Schaffung eines Grabfeldes für Muslime auf dem Bremgartenfriedhof fällen. Am 15. Januar 2000 wurde das Grabfeld feierlich eingeweiht.

Das Grabfeld
Das Grabfeld für Muslime entspricht einem Sargreihengrabfeld. Die einzelnen Gräber sind jedoch nach Mekka ausgerichtet. Die Gräber werden in der Reihenfolge der Todesfälle zugeteilt und können mit einem Grabmal (Grabstein) und einer individuellen Bepflanzung geschmückt werden. Auf dem Grabfeld der Moslemgräber wurde vorher und wird auch künftig keine Asche beigesetzt. Für die Grabmäler, die Bepflanzung und die Dauer der Bestattung gelten die Vorgaben des Friedhofreglements.


Erfahrungen
Bis heute wurden im Grabfeld für Muslime rund 100 Personen bestattet. Die Erfahrungen sind durchweg sehr positiv und es ist eine grosse Akzeptanz der übrigen Friedhofsbesucher festzustellen. Die sorgfältige Planung und die Gespräche mit den Angehörigen bei der Vorbereitung einer Bestattung haben sicher viel zum gegenseitigen Verständnis beigetragen. So werden die Bestattungsregeln werden von allen muslimischen Glaubensrichtungen in Bern getragen, auch wenn sie vom üblichen Vorgehen in islamischen Regionen unterscheiden. So ist beispielsweise in Bern eine Bestattung im Sarg vorgeschrieben und frühestens 48 Stunden nach dem Eintreten des Todes möglich.

Bestattet werden können ausserdem nur Muslime, welche in der Gemeinde Bern wohnhaft waren oder welche in Bern gestorben sind. Interessierten Vertretern anderer Gemeinden bietet die Friedhofsleitung daher Führungen an, bei denen sie über die Besonderheiten des Grabfeldes informiert. Oft sind diese dann positiv überrascht, wie wenig sich das Grabfeld von klassischen Sargreihengrabfeldern unterscheidet.

Christoph Schärer

Christoph Schärer.
 

Die multireligiöse Gesellschaft am Beispiel der Kirchgemeinde Köniz

"Das Leben in der Agglomeration Bern wird in den stadtnahen Kirchenkreisen der Kirchgemeinde Köniz immer internationaler", stellt Pfarrer David Schneeberger fest. Er ist seit 2002 Präsident der Könizer OeME-Kommission. OeME heisst Oekumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit. David Schneeberger möchte diesen Sammelbegriff mit einem modernen Begriff erweitern, mit Migration. Dieses Thema bestimmt bekanntlich immer wieder die eidgenössische politische Agenda.  

Die Schweiz ist ein Einwanderungsland, das ist auch in der Gemeinde Köniz unübersehbar: "Hier hat sich augenfällig viel geändert", sagt die in Schliern wohnhafte Maria Zaugg, ein langjähriges Mitglied der OeME-Kommission. "Ich bin offen für Menschen aus anderen Ländern, gerade weil ich einige Jahre mit meiner Familie in Afrika gelebt habe. Doch wenn ich im Bus kein Berndeutsch mehr höre, stört mich das schon. Ich möchte nicht im eigenen Land zur Minderheit gehören."

Schweizer Schüler als Minderheit
Doch zum Teil ist das im unteren Teil der Gemeinde Köniz bereits Realität: Im grossen Liebefelder Schulhaus im Hessgut gibt es Klassen, in denen die Schweizer Schüler keine Mehrheit mehr bilden. Die Schweizer Schüler müssen sich dann - wie alle andern auch - als Minderheit verstehen. Nicht so im ländlichen Niederscherli, das auch zur (Kirch-)Gemeinde Köniz gehört. Hier gehen fast nur Schweizer Schüler zur Schule. Das heisst allerdings nicht, dass in Niederscherli weniger Probleme zu verzeichnen sind: Im vergangenen Jahrzehnt gab es gerade in Niederscherli mehrmals Vandalismus mit teilweise sehr hohem Sachschaden.  

Zurück zum Kirchenkreis Liebefeld. Der hiesige Pfarrer Hansueli Ryser zählt eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf, die er und andere Engagierte im vergangenen Jahrzehnt zum Thema Multireligiosität durchführten. Etwa der Abend mit indischen Tempeltänzerinnen mit Erklärungen und indischem Essen dazu. Oder zusammen mit drei anderen Kirchenkreisen die Veranstaltungsserie 2006 über vier Weltreligionen. Ein Jahr darauf "Christentum und Islam im Gespräch". Es kamen jeweils um 50-60 Leute. Während mehreren Jahren kamen Tamilen aus der ganzen Schweiz und feierten im grossen Saal der Thomaskirche Tauffeste. "Der grosse Saal war jedes Mal bumsvoll", erinnert sich Pfarrer Hansueli Ryser.

Viele Einzelinitiativen
Neben diesen Aktionen sind im Themenkreis Interreligiosität eine ansehnliche Zahl an Einzelinitiativen festzustellen: Einige Pfarrer des Kollegiums organisierten in wechselnden Kreisen interreligiöse Abende mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen. Neben diesen Traditionen werden punktuell in verschiedenen Kirchenkreisen immer wieder Veranstaltungen mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen durchgeführt, beispielsweise auch ein interreligiöser Gottesdienst im Kirchgemeindehaus Niederscherli. Oder letzten Winter im Gemeindehaus in Köniz eine Veranstaltungen mit Musik, Geschichten und Kulinarischem, getragen von fünf Weltreligionen, initiiert und koordiniert von sozialdiakonischen Mitarbeiterinnen der Kirchgemeinde. Auch an den ökumenischen Kirchentagen Köniz 2002 und auch 2006 konnten sich andere Religionen vorstellen und zum Kulinarischen beitragen. Bemerkenswert ist ein musikalisches Experiment anlässlich von 50 Jahre Kirche Spiegel: Ein Ägypter komponierte aus seiner Tradition ein Stück für den Kirchenchor Spiegel und spielte dazu in der vollen Kirche auf der ägyptischen  Laute.

"Das Interesse an anderen Religionen wächst auch in der Kirchgemeinde Köniz", stellt David Schneeberger fest. Das zeige sich in der kirchlichen Erwachsenenbildung, beispielsweise mit grösseren Zyklen über fremde Religionen, aber auch in der kirchlichen Unterweisung KUW.

Das eigene Profil entwickeln
Andererseits sei, so David Schneeberger, die multireligiöse Gesellschaft im Pfarrkollegium kein grosses Thema. "Wir müssen uns in erster Linie um eigene Probleme und unsere Leute kümmern und unser eigenes Profil entwickeln", sagt er. Immerhin: Am Anfang des Jahrzehnts gewährte die Kirchgemeinde Köniz einer Gruppe von Sans papiers für einige Wochen Gastrecht im Ritterhuus im Schloss Köniz. Das sorgte in den Medien für positive Aufmerksamkeit.

Sich den Problemen der Interreligiosität stellen
Die wohl wichtigste Perspektive und Hoffnung in der Kirchgemeinde Köniz ist, all die verschiedenen Anlässe, Sammlungen und Institutionen aufrecht zu erhalten und weiter zu führen. "Wenn alles weitergeht, ist das bereits gut", findet OeME-Kommissionspräsident David Schneeberger. Der Umgang mit anderen Religionsgemeinschaften, besonders mit dem Islam, sei eine grosse Herausforderung. Wie reagiert die Kirche auf interreligiöse Reibereien? Hier sieht David Schneeberger Handlungsbedarf: "Wir müssten Räume und Podien schaffen, wo solche Konflikte angegangen werden können." Doch gleichzeitig wird auch deutlich, dass dies für die Kirchgemeinde Köniz eher Zukunftsmusik ist.

Pfarrer Hansueli Ryser sieht es so: "Ich bin sehr offen anderen Religionen gegenüber. Grundsätzlich sind wir als Christen für alle Menschen da. Aber die personellen Ressourcen sind beschränkt. Für mich ist es eine echte Frage, wie sich unser Auftrag angesichts der wachsenden Multireligiosität verändern wird."

Alfred Arm

 
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