Erster Weltkrieg
Kriegsausbruch
Der 1. August 1914 brachte einen Umschwung der Stimmung von unerhörter Schroffheit. 1920
Die Ergriffenheit zeigte sich auch in dem jäh hervorbrechenden Verlangen nach religiösem Halt und Trost. Die Kirchen füllten sich. 1920
In der stadtbernischen Presse wurde Öffnung der Kirchen verlangt, damit man einen Ort zum Beten habe. 1920
Das Erwachen neuen religiösen Lebens im Volke war, so hoffnungsvoll es aussehen mochte, ein Strohfeuer. 1920
Es war Panikstimmung; bedenklich musste von vornherein die Tatsache anmuten, dass dem Andrang zu den Kirchen der Ansturm auf die Banken und Sparkassen vorausgegangen war. 1920
Während des Krieges
Namentlich während des Krieges führte der Militärdienst der Männer bei bäuerlichen Betrieben ungleich mehr zu eigentlicher Überbürdung [der Arbeit] als bei industriellen. Diese unterstehen bekanntlich eigenen gesetzlichen Bestimmungen, die im allgemeinen human und den Frauen gegenüber – mit voller Berechtigung – besonders wohlwollend sind. Darum ist die Frauenarbeit an und für sich unter ländlichen Verhältnissen bisweilen härter als unter städtischen. 1920
Wo schweizerische Wehrmänner zum Dienste einberufen werden, da vollzieht sich eine vorübergehende Gemeindebildung. 1920
Der Einfluss des langen Grenzdienstes auf unser Volksleben: Das Bild ist nicht einheitlich. Die einen sehen günstige Wirkungen, die andern weisen auf tiefe Schatten hin. 1920
Dass es überhaupt gelang, dem Reiter auf dem Roten Pferde den Weg in unser Land zu sperren, das gibt uns reichen Anlass, auch an dieser Stelle der gnädigen Fürsehung Gottes und den wackeren Mannen, die, jeder auf seinem Posten, ihre Pflicht getan haben, im Namen der bernischen Landeskirche herzlich zu danken. 1920
Wurde auch unser Land vor den Schrecknissen einer Hungersnot gnädig bewahrt, so machte sich doch wenigsten in einzelnen Bevölkerungskreisen Mangel spürbar. Namentlich die Knappheit der Versorgung mit Milch, Kartoffeln und Brennstoffen wurde in den Städten bitter empfunden. 1920
Die Teuerung lastete schwer auf unserer Bevölkerung. 1920
Eine Kriegsfolge schlimmer Art war die durch Kohlenrationierung verfügte Schliessung des Münsters während dreier Winter. Die Gottesdienste fanden in der Französischen Kirche statt und durften nur ¾ Stunden dauern.
Da die Theater in dieser Zeit spielen durften, nahmen viele Anstoss an dieser einseitigen Benachteiligung der Kirche. 1920
Über das Schicksal der Glocken in den vom Krieg heimgesuchten Ländern war ja viel zu lesen. Darum empfinden wir es dankbar, dass unsere Gotteshäuser erhalten blieben. 1920
Es mag mit der durch den Krieg bedingten Verteuerung der Metalle zusammenhängen, dass diesmal recht selten die Anschaffung neuer Geläute gemeldet wird. 1920
Zu den zerstörenden Wirkungen des Krieges gehört auch die, dass das alte Wort "Kindersegen" bald frivol, bald kleingläubig oder wehmütig belächelt wird. 1920
[Mission] Durch den Krieg ist hier eher wieder ein Rückschlag erfolgt. Hiervon wurde die Basler Missionsgesellschaft besonders empfindlich betroffen. 1920
Als günstige Folge wird die durch den Krieg viel strenger gewordene Handhabung der Polizei erwähnt. So verschwanden aus der Stadt Bern ganze Scharen von Leuten, die ein unsittliches Leben gewerbsmässig führten; mit der Öffnung der Grenzen freilich schäumte die trübe Flut wieder zurück. 1920
Die Guten sind durch den Krieg besser, die Schlechten schlechter geworden. 1920
Nach der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Berichte schliesst die Rechung mit einem gewaltigen Schuldposten. 1920
Die Kriegsnachrichten, die überall hin verbreiteten Schilderungen des wahnwitzigen Mordens und des teuflischen Vernichtungswillens wirkten auf das Gefühl und die sittliche Urteilskraft abstumpfend. 1920
Die lange Kriegsdauer stellte bei vielen den Glauben auf eine harte Probe, dies um so mehr, da es an höhnenden Stimmen nicht fehlte, die fragten: Wo ist nun dein Gott? 1920
Gewaltig verschärft haben sich durch den Krieg und dessen Folgen die sozialen Gegensätze. 1920
Wahrlich, die Schuldposten des Krieges sind so gewaltig, dass seine geistigen Guthaben jenen gegenüber nichts bedeuten. 1920
Die Lauheit der Kirche gegenüber dem Problem der Rüstungen und damit des Krieges selbst ist unzweifelhaft eine Unterlassungssünde. 1920
Unter dem Eindruck der nunmehr hereinbrechenden furchtbaren Ereignisse hat die bernische Kirchensynode im Winter 1914 gegen den Geist des Völkerhasses unzweideutig Stellung genommen. 1920
Aufgabe der Zukunft wird es sein, die Friedensgesinnung und den Verständigungswillen unter den Völkern zu fördern. Das ist die einzig wirksame Form des Protestes gegen den Krieg. 1920
Kann es uns, angesichts der seelischen Erschütterung durch den Weltkrieg verwundern, dass die Milleniumsleute, die Tagesanbrüchler, die Auroristen, bei manchen Gehör finden? Dass vor allem die Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher in zahlreichen Gemeinden Boden erobert und viele Gemüter verwirrt haben? 1920
Wenn das furchtbare Völkerringen eine moralisch günstige Wirkung hat, so ist es die, dass der Sinn für fremde Not geweckt worden ist. 1920