1887 – 1890 Edwin Nil
Bericht über das kirchliche, religiöse und sittliche Leben der bernischen Landeskirche in den Jahren 1886 – 1890. Im Namen des evangelisch-reformirten Synodalrathes erstattet durch E. Nil, Pfarrer in Kirchberg, 55 Seiten.
Der vierte Bericht ist mit seinen 55 Seiten, im Unterschied zum dritten ausserordentlich kurz. Es entspricht dies dem damaligen Wunsche des Synodalrates: Der Bericht soll so kurz als möglich sein, denn der letzabgelegte vom Jahre 1886, der einen erstaunlichen Reichthum von wohl verarbeitetem Stoff enthält, bleibt heute noch in seiner vollen Bedeutung und seinem ganzen Werthe bestehen.
Eingangs wird zum kirchlichen Leben festgestellt, dass das Ansehen der Kirche sich merklich, sogar auf erfreuliche Weise gehoben habe. Schädlich hingegen seien die kircheninternen heftigen Richtungskämpfe.
Entsprechend der Fragestellung wiederholen sich nun auch in dieser Berichtsperiode die Themen, und doch haben sie allemal neue Akzente: Zu den Freikirchen und Sekten finden kirchlicherseits eine ganze Reihe erfreulicher neuer Initiativen Erwähnung, die das Eindringen der Sekten hemmen, wie zusätzliche Gottesdienste in Schulhäusern und abgelegenen Dörfern, Bibelstunden während der Woche, Vorträge über Kirchengeschichte und soziale Fragen, Missionsfeste, Bezirksfeste, kirchliche und religiöse Zeitschriften, und nicht zuletzt das neue Kirchengesangbuch. Zum Gottesdienstbesuch, Gottesdienstlichkeit genannt, dann allerdings wieder das übliche Lied. Die einen sagen: Er bleibt ungefähr immer gleich, andere sagen: Der Besuch nimmt ab, die Dritten reden von vollen Kirchen, alle sind sich darin einig, dass die Männer träge sind, und es gebe viele Leute sogar, die hätten die Kirche überhaupt noch nie von innen gesehen. Dann kommen die kirchlichen Handlungen und Tätigkeiten, schon fast als Litanei die Klage über mangelnde Bibelkenntnisse bei den Kindern und Jugendlichen. Nicht unerwähnt bleiben Kirchen, die neu erbaut worden sind, und das Münster bekommt erfreulicherweise endlich seinen Kirchenspitz.
Das religiöse Leben wird in seiner gesunden landeskirchlichen Vielfalt beschrieben: Wir haben die verschiedenartigsten Leute in unserer Kirche. An Gewohnheitschristen fehlt es nicht, aber wir wollen diese Stufe des religiösen Lebens nicht geringachten. Sind es Gewohnheiten, so sind es jedenfalls nicht schlechte Gewohnheiten.
Auch das sittliche Leben verändert sich wenig. Es gibt viel Gutes an Ordnungssinn und Reinlichkeit, kräftigen Patriotismus, Wohltätigkeit, aber es gibt halt immer noch den Kiltgang, den Alkoholismus, die Armut, die soziale Frage: Sie ist auf dem Lande gerade so ungelöst wie in der Stadt.
Der Autor dieses vierten Berichtes, Edwin Nil, war Pfarrer in Kirchberg, Synodeabgeordneter und Mitglied des Synodalrates.