Kirchgemeinde Paulus Bern
Uli Geisler, Pfarrer
Ich habe das Kairos-Dokument zunächst in der Kommission Eine Welt vorgestellt, dann im Mitarbeitendenteam und im Kirchgemeinderat. Die Reaktionen und Diskussionen waren jeweils sehr schnell sehr kontrovers und es ist spürbar geworden, wie "heiss" es ist, sich im Blick auf das Dokument eine eigene Meinung zu bilden und als Institution eine gemeinsame Haltung zu finden.
Unser Referent Pfarrer Christoph Jungen hat es an einem Gemeindeabend geschafft, die (bei schweizerischen/europäischen ChristInnen) tief verwurzelten Bilder hervor zu holen, die dazu führen, dass bei Stichworten wie "Israel", "Heiliges Land", "verheissenes Land" etc. sehr mächtige und die offene Diskussion behindernde Assoziationen in den Vordergrund rücken. Dass der Abend sehr gut besucht war - und auch dort am Ende die Diskussion sehr kontrovers wurde, zeigt einerseits, dass die Frage, wie sich Christinnen im Nahostkonflikt positionieren können sehr aktuell ist - und andererseits, dass die Diskussion noch weitergehen muss.
Beitrag auf der Gemeindeseite "reformiert"
Wohl kaum ein Krisenherd beschäftigt auch bei uns die Menschen so wie der Nahostkonflikt – die Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern um Land, Wasser, Staatsgrenzen. Sich dazu eine Meinung zu bilden, ist gar nicht einfach – besonders nicht mit christlich geprägten Bildern und Vorstellungen im Rucksack...
Viele Fettnäpfchen
Wer sich fragt, wo die eigenen Sympathien, die eigene Solidarität gegenüber verschiedenen Akteuren in dem Konflikt liegen, kann schnell in das eine oder andere Fettnäpfchen treten: Ist man eher mit palästinensischen Christen solidarisch, gilt man besonders in christlichen Kreisen schnell als israelfeindlich oder antisemitisch. Hat man dagegen eher Verständnis für die israelische Politik, löst das wieder bei anderen Kopfschütteln aus. Zudem kommen einem möglicherweise Begriffe und Bilder in die Quere, die man als «biblisch» gelernt hat: Zum Beispiel das Bild von «Israel» als dem «von Gott auserwählten Volk» oder die Redewendung von «Israel» als das «Heilige Land». Was haben diese Bilder mit der aktuellen Situation zu tun – und wie beeinflussen sie die eigene Haltung gegenüber Palästinensern oder Israelis oder auch den Religionsgemeinschaften in dem Konflikt?
Zudem ist heute unbestritten, dass das Christentum ohne das Judentum als Schwesterreligion nicht zu denken ist. Auch hier lässt sich fragen: Was für Folgen hat diese Annahme für die eigene Sicht auf die Akteure im Nahostkonflikt?
Ein Aufruf palästinensischer Christinnen
Vor drei Jahren haben christliche, palästinensische Theologen aus ihrem Leiden und ihrer Betroffenheit heraus ein Dokument verfasst, das aufrüttelt:
"Die Stunde der Wahrheit: Ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenser und Palästinenserinnen"
In diesem Dokument analysieren sie ihre Situation, reflektieren sie auf der Basis der christlichen Theologie und formulieren im Anschluss daran Hoffnungen, Wünsche und Forderungen im Blick auf eine friedlichere Zukunft für alle Völker und Religionsgemeinschaften im Nahen Osten.
Im besonderen rufen sie die Kirchen der Welt – und damit auch uns in der Pauluskirchgemeinde – auf "...zur Korrektur fundamentalistischer theologischer Positionen, die gewisse ungerechte politische Optionen in Bezug auf das palästinensische Volk unterstützen. Es ist ein Aufruf, sich an die Seite der Unterdrückten zu stellen und das Wort Gottes als frohe Botschaft an alle zu bewahren..."
Ein Klärungsversuch
In der Kirchgemeinde haben verschiedene Gespräche über dieses Dokument gezeigt, wie wichtig es ist, die eigene Haltung zu überdenken und auch theologisch zu reflektieren. Daher bieten wir eine Veranstaltung an, die genau dazu anregen möchte: Die eigenen - manchmal unbewussten - Vorstellungen wahrzunehmen und zu reflektieren, um sich eine Meinung darüber zu bilden, wo das Einbringen von Religion und Theologie den Blick vernebelt und wo sie als Ressource und Inspirationsquelle zur Lösung des Konfliktes beitragen könnte.
An diesem Abend soll es darum gehen, den engen Verbindungen zwischen Christentum und Judentum nachzugehen und im Blick auf den heutigen politischen Konflikt in der Region kritisch zu reflektieren. (siehe Inserat zur Veranstaltung)
Matthias Hui