Kirchliche Jugendarbeit ist eine Spezialität

In Saanen ist die Kirche auf Fels gebaut – wortwörtlich und im übertragenen Sinn: Die reformierte Kirche gehört zum Leben der Saaner.

An der Grenze zur Westschweiz gelegen und seit 100 Jahren Ferienziel für Touristen und Touristinnen aus der ganzen Welt, liess Gstaad-Saanen zu einer weltoffenen Bergregion werden. "Die Menschen hier haben ein gesundes Selbstbewusstsein. Der Spagat zwischen der Bergwelt und der mondänen Welt der Gäste gelingt ihnen gut", erklärt Pfarrer Bruno Bader. Seit vier Jahren wirkt Bader als Gemeindepfarrer in Saanen, die Stelle sei ein Glücksfall gewesen. Zu diesem Wohlsein trägt auch Daniel Burri bei; der seit 2007 als Sozialdiakonischer Mitarbeiter (SDM) in Saanen arbeitet. Pfarrer Bader schätzt das theologische Grundwissen seines Kollegen und die Zusammenarbeit: "Wir haben keine hierarchische Unterschiede, sondern unterschiedliche Funktionen im gleichen Team. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, das ist nicht in jeder Gemeinde so. Struktur schafft zwar Ordnung in einem System, aber die innere Haltung entspringt dem Amts- und Selbstverständnis." Daniel Burri erinnert sich an den Stellenantritt: "Die SDM-Stelle wurde damals erst geschaffen, und wir sind von Anfang an ein gutes Team gewesen. Das Aufgabenheft umfasst die Kirchliche Unterweisung (KUW) von der Unter- bis zur Oberstufe, die Gestaltung und Umsetzung von Angeboten für Jugendliche sowie die Mitarbeit im CEVI." Letzteres Aufgabengebiet vernetze die regionale kirchliche Jugendarbeit schweizweit.

Verwurzelt und visionär

Daniel Burri bildete sich am Theologisch-Diakonischen Seminar TDS Aarau in Sozialdiakonie aus und erfüllte sich damit seinen Berufswunsch. "Die Vielfalt des Berufes, verbunden mit den christlichen Grundwerten, überzeugten mich. Eine Stelle als Jugendarbeiter war meine erste Wahl, ich könnte aber auch in anderen Schwerpunkten arbeiten." Bruno Bader ergänzt: "Und du machst gute Arbeit! Ich bin froh um dein Profil, froh, dass du kirchliche Jugendarbeit machst. Die Gemeinde Saanen bietet einen Jugendtreff an, das ist toll, das braucht es. Wir wollen aber nicht etwas tun, das andere besser können. Wir können spezifische Jugendarbeit machen, aus unserem Kirchenverständnis heraus." Sie sind ein starkes Team, der Pfarrer und der Jugendarbeiter, mit ihren unterschiedlichen Temperamenten und fachlichen Hintergründen.

Das Leitbild der Kirchgemeinde hält fest, das Christentum glaubwürdig, lebendig und froh bezeugen zu wollen. "Das heisst aber nicht, dass ich missioniere!", lacht Daniel Burri. Biblische, christliche Traditionen mit dem Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen zu verknüpfen, sei die Absicht. "Viele kennen die Bibel nicht. Ich will ihnen einen Umgang mit dem Buch zeigen, nicht Bibelstellen auswendig lernen lassen." Lebhaft geht es zu und her, wenn Burri mit CEVI-Gruppen durch den Wald streift, für ein Musical probt oder mit KUW-Klassen über existenzielle Lebensfragen diskutiert. Konfirmieren liessen sich hier alle Schülerinnen und Schüler, und zwar nicht nur der Geschenke wegen, meint Bruno Bader: "Es ist ein wichtiges Fest, an dem das ganze Dorf Anteil nimmt. Die Einstellung zur Kirche ist hier ganz anders als in der Agglomeration oder in den Städten", führt Bader aus und fügt hinzu: "Die Kirche hat einen festen Platz im Leben der Gstaader und Saaner. Die jungen Menschen sagen Ja zur Konfirmation."

Vielerorts bricht der Kontakt zur Kirche zwischen Konfirmation und Hochzeit ab. Die Saaner Kirchgemeinde hat jedoch eine Vision: "Ich wünsche mir, Jugendliche für die Mitarbeit in der reformierten Kirche begeistern zu können, so dass die verschiedenen Generationen voneinander profitieren können", sagt Daniel Burri. Seit 2010 haben sich bereits einige junge Saanerinnen und Saaner zum Jugendbegleiter "Accos" ausbilden lassen. "Accos" ist eine identitätsbildende Grundausbildung für konfirmierte Jugendliche ab 15 Jahren. Accos-Teens wirken beispielsweise in Jugendgottesdiensten oder in Konfirmationslagern mit.

Sozialdiakonie in der Bergregion

Die wirtschaftliche Entwicklung des Lebensraumes ist mittelbar mit dem Tourismus verknüpft. Klimawandel und Schneesicherheit, die Umsetzung der Zweitwohnungs-initiative und die Wirtschaftskrise lauten die Stichworte. Auch die Saanerinnen und Saaner wie auch die Gstaaderinnen und Gstaader haben existenzielle Ängste: "Das Saanenland ist eine vermögende Region, wir jammern (noch) auf relativ hohem Niveau. Es ist aber nicht gut, wenn junge Familien keine bezahlbaren Wohnungen finden", berichtet Pfarrer Bruno Bader. Trotzdem komme es selten vor, dass die Kirchgemeinde um finanzielle Unterstützung angefragt werde. Das soziale Netz der Grossfamilien trage gut. Wenn die familiäre Hilfe nicht mehr ausreiche, sei in erster Linie der Sozialdienst zuständig. Ausserdem gäbe es einige Fonds, welche explizit für die Bevölkerung durch sehr vermögende Zugezogene geäufnet worden seien. Das Zusammenleben der einfachen Landbevölkerung und der reichen Leute funktioniere recht gut, meint Pfarrer Bader: "Neu geht jedoch die Angst um, dass die Balance kippt: dass die Bevölkerung nicht mehr genug Teilhabe am Reichtum haben wird." Die Kirchgemeinde hat diese Befürchtungen wahrgenommen und organisiert im Bereich Erwachsenenbildung Vorträge, welche die Kluft zwischen Armen und Reichen thematisieren oder was die europäische Wirtschaftskrise mit Saanen zu tun habe. Abgerundet wird dies durch thematische Gottesdienste. "Reiche sind nicht per se schlechtere Christenmenschen, es liegt uns an einer differenzierten Sicht."

Allerdings gibt es bereits Familien, die in benachbarte Gemeinden weggezogen sind. "Dies wirkt sich auf unsere Jugendarbeit aus." Daniel Burri beobachtet die Abwanderung besorgt.

Auch die Kirchgemeinde muss sparen: "40% Reduktion bei den Pfarrstellen, das wird sich erheblich auf unsere künftigen Angebote auswirken", aber sie würden bestimmt gute Lösungen finden, meint Bruno Bader optimistisch. In weiter Ferne sieht er auch die Kirchgemeinde Saanenland mit drei Standorten Saanen-Gsteig-Lauenen: "Mich dünkt, das wäre ein sinnvoller Schritt, aber der wird wohl nicht mehr zu meiner Amtszeit geschehen."

Barbara Richiger

Sozialdiakonie in Saanen: die gemeinsame Aufgabe von Pfarrer Bruno Bader (rechts) und dem Sozialdiakon/Katechet Daniel Burri (links).