Wir sehen uns als Vermittler zwischen Frei- und Landeskirchen

Walter Dürr ist Präsident der 1994 gegründeten landeskirchlichen Gemeinschaft Jahu in Biel und Steffisburg, die er in der Gesprächsgruppe Gemeinschaften/Landeskirche vertritt.

Die Gemeinschaft Jahu bewegt sich in der Schnittstelle zwischen Frei- und Landeskirche. Walter Dürr, welches von beidem ist sie nun mehr?

Dies ist eine Frage der Perspektive. Von unserem Selbstverständnis her sind wir keine Freikirche, sondern eben eine landeskirchliche Gemeinschaft. Für uns bedeutet dies: Wir ziehen uns nicht ins fromme Getto zurück, sondern pflegen ökumenische Kontakte mit allen Landeskirchen.

Wo sieht Jahu in diesem Kontext seine Aufgabe?

Wir sehen uns als Vermittler zwischen Frei- und Landeskirchen. So arbeiten wir in der freikirchlich geprägten evangelischen Allianz ebenso mit wie in landeskirchlich-ökumenischen Gruppen. In unserer Heimatstadt Biel etwa versuchen wir, Frei-, Landes- und Migrationskirchen zu gemeinsamen Projekten zusammenzubringen – konkret zurzeit mit Ecclesia, einem Projekt, mit dem alle Kirchen gemeinsam für die Stadt da sein wollen.

Seit einigen Jahren führen Landeskirchen und Gemeinschaften vertiefte Gespräche. Was hat sich aus Ihrer Sicht im Verhältnis der beiden Glaubensgemeinschaften geändert?

In unserem Selbstverständnis hat sich wenig geändert, aber wir sind uns neu bewusst geworden, wer wir sind, und wie wir das auch unseren Mitgliedern erklären können. Gegenüber der Landeskirche ist die Gesprächskultur wesentlich angenehmer und konstruktiver geworden. Musste man früher jedes Wort auf die Goldwaage legen, herrscht inzwischen ein Klima des gegenseitigen Vertrauens.

Heute haben wir das Gefühl, ein Teil der Kirche zu sein und mit ihren Vertreterinnen und Vertretern einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Wir erleben, dass offenbar auch die reformierten Kirchen die innerevangelische Verbindung suchen.

Welche Auswirkungen hatten die Gespräche auf das Miteinander in der Praxis?

Es ist uns bewusst geworden, dass wir als Jahu Teil eines grösseren Ganzen sind. Dass die Landeskirche für uns ein kritisches Gegenüber ist, etwa in theologischen Fragen, wird von uns und allen am Gespräch beteiligten Gemeinschaften geschätzt. Nicht nur das Abschlusspapier (Code de bonne conduite – Red.), sondern vor allem der Prozess seines Entstehens wurde von den Beteiligten als positiv wahrgenommen. Alle bestätigen, dass der Respekt vor Unterschieden in Lehre und Praxis, aber auch die Besinnung auf die selben Wurzeln, gut tun.

Wie müsste jetzt weitergearbeitet werden, damit das Erreichte nicht wieder versickert?

Die Vereinbarung hat einen Geist, der nun breit vermittelt werden sollte. Für die Gemeinschaften kann das bedeuten, den Mitgliedern zu sagen: Wir sind keine Freikirche, sondern eine landeskirchliche Gemeinschaft, und als solche haben wir mit der Landeskirche einen gemeinsamen Auftrag. Die Landeskirche sollte den Inhalt des Papiers nun ihren Angestellten vermitteln – und zwar auch jenen, die theologisch an einem anderen Ort stehen als wir. Wenn dies gelingt und daraus ein neues Miteinander entsteht, ist das Papier geglückt.

Thomas Uhland