Das Image der Kirche
Die ungeheure Menge des Volkes will entschieden keine Freikirche, noch weniger Sekten, sie will eine Landeskirche haben, die in Verbindung steht mit dem ganzen Volk, seinen bürgerlichen Einrichtungen und mit seinen politischen Behörden. 1882
Die Achtung vor der Kirche und der feste Wille, sie zu erhalten, sind in unserm Volk grösser als wirkliche Anhänglichkeit und freudige Zugehörigkeit. 1882
Von einem einheitlichen Gesamtbild kann keine Rede sein; unsere Kirche ist längst keine festgeschlossene Einheit mehr. 1886
Religiös darf man die Gemeinde nicht bezeichnen, aber landeskirchlich. 1886
Wollte man dem Volk seine Kirche nehmen, es würde sich wie ein Mann dagegen erheben. 1886
Man muss auch billigerweise zugestehen, dass unser kirchliches Leben ein so ruhiges, gleichmässiges ist, dass ein reges Interesse für besondere kirchliche Anliegen bei den Massen nur schwer aufkommen kann. 1886
Wenn die Kirche auch die christliche Liebestätigkeit nicht vergisst, welche in einem Zusammenhang steht mit dem Glauben, der ohne die Werke tot ist, so wird sie eine immer zeitgemässe Aufgabe erfüllen können. 1890
Das Totenglöcklein, das Gottfried Keller gehört, ist verstummt. 1894
Jedoch auch ohne die äussere Autorität steht bei uns die Kirche doch noch mitten im Dorfe und ist anerkannt als die Hauptträgerin des religiösen Gedankens und Lebens; und die Landeskirche wird eigentlich nur bewusst und gewollt befehdet von denen, welche das religiöse Leben, den christlichen Glauben, als veralteten Luxus betrachten und als den schlimmsten Hemmschuh des Fortschrittes der Menschheit zur vollendeten autoritätslosen Freiheit. 1894
Gerade bei gebildet sein wollenden Leuten ist es Mode geworden, die Kirche und ihre Institutionen als etwas Nebensächliches, das man entbehren könne, zu betrachten. 1894
Mit der Abnahme des religiösen Lebens hängt die des kirchlichen zusammen. 1898
Je deutlicher stetsfort zu Tage tritt, dass die sozialen Übelstände nicht durch den Materialismus, sondern durch das Christentum, wenn nicht gehoben, so doch gemildert werden können, desto mehr gewinnt auch die Kirche wieder an Ansehen und kräftigt sich ihre Stellung. 1898
Ihre kräftige Mitarbeit auf dem sozialen Gebiete, wie sie in den Werken des Ausschusses für kirchliche Liebestätigkeit zu Tage tritt, macht die Kirche den Armen lieb und wert. 1898
Die Kirche fahre nur zu, weise und bei gegebenen Anlässen möglichst einmütig ihre Stimme zu erheben, und sie wird immer einen Widerhall finden. 1898
Ein mitwirkendes Moment bei der Aufrechthaltung des Ansehens der Kirche sind unstreitig die würdigen, ernsten und gehaltvollen Erlasse der kirchlichen Oberbehörde. 1898
Am meisten hat die Kirche wohl an Achtung und Zutrauen gewonnen durch die rege Tätigkeit in Wort und Werk, die in den letzten Jahrzehnten von Seiten eifriger Kirchenglieder, Geistlichen und Laien, entfaltet worden ist. Die Presse ist so viel mehr den Interessen der Religion und der Kirche dienstbar gemacht worden; durch die mannigfachen Liebeswerke ist es dem Volke fühlbar geworden, dass es an seiner Kirche eine Freundin, ja eine Mutter hat, und dass noch nützliche Kräfte von ihr ausgehen. 1902
Das Volk ist häufig unkirchlich, aber durchaus nicht antikirchlich. 1902
Von verschiedenen Seiten vernehmen wir Stimmen, die unserer Kirche zurufen: Deine Zeit ist abgelaufen; fort mit dir. 1909
Nicht nur erheben die ausserkirchlichen Gemeinschaften immer wieder die schärfsten Anklagen gegen die Landeskirche. Nein, auch aus der Mitte der schweizerischen Geistlichkeit, von begabten Predigern und Schriftstellern hat eine Kritik des gesamten heutigen Kirchenwesens ihren Ausgang genommen, welche an vernichtender Schärfe gegenüber allem Bestehenden nichts zu wünschen übrig lässt. 1909
Das Sinken oder Ausbleiben des theologischen Nachwuchses ist ein Symptom zunehmender Geringschätzung der Kirche und des Dienstes am Wort. 1930
Die Unsicherheit in der Vertretung der Heilsbotschaft diskreditiert die Kirche in den Augen der Jugend auf das Schwerste. 1930
Die Kirche hat nur noch einen verschwindend kleinen Einfluss auf das sittliche Leben. 1940
Die Entfremdung vom Glauben ist gross, sowohl bei Arbeitern als bei Bauern. Doch soll die Kirche irgendwie sein und man lässt sie gelten. 1940
Die Kirche findet bei den reichen Leuten kaum Ablehnung oder grundsätzliche Feindschaft. Aber man hat sie weithin nicht nötig. 1960
Gemeindebehörden zeigen in der Regel volles Verständnis für die Belange der Kirche und schätzen ihre verborgene und sichtbare Arbeit, die sie zugunsten der Allgemeinheit leistet. 1970
Die Kirche wird von vielen als Kirche des Establishments angesehen, als Stimme der grossen Minderheit, die schweigt. 1980